Milchleistung im Kälberalter vorprogrammieren – geht das?
Die tatsächliche Milchleistung von Milchkühen ist eine Momentaufnahme der laktierenden Kuh und hängt von vielen Faktoren ab, vorrangig vom aktuellem Gesundheits-, Laktations- und Stoffwechselstatus.
Die potenzielle, das heißt maximale Leistungsfähigkeit wird jedoch bereits sehr viel früher bestimmt – unter anderem durch metabolische Programmierung. Wie Sie das Milchleistungspotenzial Ihrer Milchkühe durch diese metabolische Programmierung aktiv optimieren können, erfahren Sie in diesem Ratgeber!
Was versteht man unter "metabolischer Programmierung"?
Natürlich spielt die Genetik eine wichtige Rolle, wenn es um die spätere Milchleistung einer Kuh geht. Der erste Grundstein für eine hohe Milchleistung wird daher durch die gezielte Kombination der genetischen Anlagen von Mutterkuh und ausgewähltem Bullen gelegt.
Wie sich die Kälber und damit die späteren Milchkühe darüber hinaus körperlich entwickeln, hängt aber zu einem beachtlichen Teil von dem Verlauf der letzten Wochen der Trächtigkeit sowie der ersten Lebenswochen und -monate ab. Hier spricht man von der sogenannten metabolischen Programmierung. Darunter versteht man den Einfluss der Stoffwechsellage eines Kalbes auf dessen körperliche Entwicklung.
Kurz gesagt: die Versorgung des Kalbes mit Nährstoffen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen sowohl vor als auch nach der Geburt „programmiert“ das Kalb für die Zukunft. Ist die Versorgung optimal, wird es sehr viel eher in der Lage sein, sein genetisches Potenzial voll auszuschöpfen. Bei einer inadäquaten Versorgung wird es dagegen sehr wahrscheinlich hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Die Weichen werden bereits bei der Mutterkuh gestellt
Natürlich spielt die Genetik eine wichtige Rolle, wenn es um die spätere Milchleistung einer Kuh geht. Der erste Grundstein für eine hohe Milchleistung wird daher durch die gezielte Kombination der genetischen Anlagen von Mutterkuh und ausgewähltem Bullen gelegt.
Fütterungsfehler und Hitzestress in der Trockenstehphase der Mutter beeinträchtigen die Entwicklung des Kalbes sehr stark, mit langanhaltenden Folgen für die spätere Milchkuh, bis hin zu einer niedrigeren Milchleistung. Ein optimiertes Trockenstehermanagement mit besonderem Augenmerk auf eine adäquate Mineral- und Nährstoffversorgung sind daher wichtige Voraussetzungen für eine leistungsstarke Herde!
So funktioniert die metabolische Programmierung
In den letzten Wochen vor und den ersten Wochen nach der Geburt finden in vielen Organen und Geweben noch in großem Ausmaß Zellteilungen, also Zellen-Vermehrung statt. Später wachsen die Organe zwar auch noch, doch dann vermehrt durch Zellwachstum (Größenwachstum der bereits bestehenden Zellen), nicht mehr durch Zellteilung (neue Zellen).
Ist das Nahrungsangebot in den ersten 50 Lebenstagen knapp, so finden weniger Zellteilungen statt und umgekehrt.
Die intensive Kälberaufzucht steigert das Milchleistungspotential
Bei einer ad-libitum-Fütterung ist das Nahrungsangebot reichlich und die Zellteilungsrate damit sehr hoch. Diese Effekte lassen sich messen. In einer Studie der Universität Blacksburg wurden signifikant höhere Organgewichte bei ad-libitum-getränkten Kälbern in der siebten Lebenswoche festgestellt, unter anderem in Organen des Immunsystems(1), aber auch überdeutlich in Leber-, Euter- und Milchdrüsengewebe! Dort waren die Gewichte vier- bis sechsmal so hoch(2) im Vergleich zur restriktiv getränkten Gruppe. Und je mehr Euter- und Milchdrüsengewebe, desto höher natürlich die potenzielle Milchleistung(3)! Insgesamt sollten in dieser wichtigen Wachstumsphase tägliche Zunahmen von bis zu einem Kilogramm erreicht werden, um die Zellteilungsrate zu intensivieren.
Auch der Energiestoffwechsel wird im Übrigen durch eine intensive Fütterung metabolisch programmiert: Nicht nur reine Zellvermehrung, auch eine verbesserte physiologische Funktionalität von Leber- und Bauchspeicheldrüsengewebe konnten nachgewiesen werden, was zu einem effizienteren Glucosestoffwechsel, also einer verbesserten Futterverwertung führt.
Kompensatorisches Wachstum
Restriktiv getränkte Kälber holen zwar das anfangs langsamere Wachstum später auf, oft sogar vollständig, doch dann eben vorrangig durch Zellwachstum, nicht mehr durch Zellteilung. Dieses sogenannte kompensatorische Wachstum führt dann dazu, dass statt funktioneller Organmasse vermehrt „nutzloses“ Körperfett angelegt wird, mit negativen Folgen wie Fruchtbarkeitsstörungen, Schwergeburten und Stoffwechselproblemen nach der Kalbung.
Dieses Prinzip trifft auch diejenigen Kälber, die in den ersten 50 Lebenstagen durch eine Erkrankung in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind. Daher gilt:
Nur ein gesundes Kalb wird eine leistungsstarke Kuh
Schwere Erkrankungen werfen jedes Kalb in seiner Entwicklung weit zurück. Besonders Durchfall-, aber auch Lungenerkrankungen und Schmerzen verschiedensten Ursprungs führen zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme und -verwertung. Dazu kommt die reduzierte Nahrungsaufnahmekapazität des Darms, wenn dieser im Kälberalter durch eine Durchfallerkrankung geschädigt wurde oder die schwächere Immunabwehr nach schweren Lungenerkrankungen. Diese Probleme können die spätere Milchkuh als Langzeitschäden begleiten und dazu führen, dass sie lebenslang hinter ihrem genetischen Leistungspotential zurückbleibt.
Um effizient vorzubeugen, empfehlen wir Ihnen die Ratgeber "Optimale Kolostrumversorgung beim Kalb", "Kälberdurchfall vorbeugen" und "Atemwegserkrankungen beim Kalb".
Quellen:
¹ Geiger et. al., 2016
² Soberon und Van Amburgh 2017
³ Brown 2011