Das Thema Hitzestress im Stall beschäftigt viele Landwirte jeden Sommer wieder und wird zunehmend ein wichtiges Thema werden, in Zeiten globaler Erwärmung mit zunehmenden Hitzeperioden. Wie Sie sich gut vorbereiten und den Tieren eine bestmögliche Linderung verschaffen können, wird in diesem Hitzestress-Ratgeber erklärt!
Warum stresst die Hitze Kühe?
Laktierenden Kühe setzen enorme Mengen Energie um. Zu Spitzenzeiten (besonders zu Beginn der Laktation) produzieren sie dabei über 1500 Watt Abwärme, das entspricht etwa einem durchschnittlichen Haushalts-Heizlüfter. Diese Wärme wird über die Haut an die Umgebung abgegeben und je kühler die Umgebung ist, desto besser gelingt dies natürlich. Die „Wohlfühltemperatur“ von ausgewachsenen, laktierenden Kühen hängt auch von ihrer Milchleistung ab. Bei 25 kg/Tag liegt sie daher etwa zwischen 4 °C bis 16 °C, bei steigenden Milchleistungen sinkt die Wohlfühltemperatur um ca. 4 °C je 10 kg Milchleistung. Das bedeutet, bei 35 kg/Tag sind ca. 0 °C – 12 °C optimal. Liegt die Außentemperatur in diesem Bereich, kann die Kuh die überschüssige Wärme problemlos abführen, dieser Bereich ist für sie „thermoneutral“.
Steigt die Außentemperatur jedoch darüber, wird es der Kuh zu warm. Mit steigender Luftfeuchtigkeit intensiviert sich das Problem, denn diese erschwert die Wärmeabgabe über die Haut zusätzlich. Sie bestimmt daher maßgeblich die „gefühlte Temperatur“ (und ist dafür verantwortlich, dass die Hitze in einer Wüste für den Kreislauf besser ertragbar ist als im Regenwald).
Der THI, der „Temperature-humidity index“, beschreibt dieses Zusammenspiel von relativer Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Besonders auffällig ist hier, dass der Einfluss der Luftfeuchtigkeit umso stärker wird, je höher die Temperatur ist.
Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Temperatur, relativer Luftfeuchtigkeit und der Stresswirkung auf Kühe (Quelle: Collier et al. 20212)
Symptome einer Kuh bei Hitzestress
Steigt die gefühlte Außentemperatur über ihren thermoneutralen Bereich, beginnt die Kuh mit Maßnahmen, um ihre Köpertemperatur zu senken.
Zu den ersten Maßnahmen gehört zunächst einmal eine eingeschränkte Aktivität. Jegliche zusätzliche Anstrengung wird vermieden. Außerdem liegen die Tiere weniger und stehen stattdessen vermehrt, um mehr Köperoberfläche für Verdunstungskühlung zur Verfügung zu haben und um dem Wärmestau in den Liegeboxen zu entgehen. Auch die Fressleistung geht zurück, ebenso wie die Wiederkauaktivität. Die Tiere atmen verstärkt, sowohl tiefer als auch schneller.
Können Kühe schwitzen?
Ja, Kühe haben wie wir Menschen ein Temperaturempfinden und können schwitzen. Doch wenn die Tiere offensichtlich schwitzen, ist es bereits viel, viel zu heiß. Dies beginnt normalerweise erst ab ca. 30 °C. Dann kann man auch hechelnde und speichelnde Tiere beobachten, die mit langgestrecktem Hals schwer atmen. Obwohl schon weit vor diesem Zeitpunkt das Wohlbefinden der Tiere leidet, müssen spätestens jetzt sofort Maßnahmen zur Kühlung unternommen werden, um die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Tiere nicht zu gefährden.
Was passiert mit der hitzegestressten Kuh?
Die Auswirkungen von Hitzestress auf die Gesundheit unserer Kühe sind vielfältig.
Stoffwechselentgleisungen drohen zum einen aufgrund der reduzierten Futteraufnahme, die bei hochleistenden Kühen bekanntermaßen eine Ketose verursachen kann. Außerdem führt dies zu einem Absinken der Milchleistung und zu einer starken Leberbelastung.
Zum anderen kann es zu einer Pansenazidose kommen, wenn die Tiere weniger wiederkauen und damit weniger speicheln. Dadurch wird weniger Speichel produziert, der dringend für die Pufferung des Pansen-pH-Wertes benötigt wird. Verstärkt wird dieses Problem, wenn versucht wird, die reduzierte Futteraufnahme durch eine Erhöhung der Energiedichte der Ration zu kompensieren, ohne dies mit einer ausreichenden Faserversorgung auszugleichen. Das Pansenmikrobiom reagiert empfindlich auf die folgende Ansäuerung und es entstehen vermehrt Toxine, die in die Blutbahn gelangen.
Ein oft unterschätzter Faktor ist die Auswirkung von Hitzestress auf die Darmbarriere. Diese sorgt normalerweise dafür, dass nur gewünschte Stoffe (vor allem Nährstoffe) vom Darm in den Organismus gelangen. Unter Hitzestress wird diese jedoch durchlässiger und so können auch ungewünschte Stoffe sowie Bakterien und Viren die Darmschranke passieren. Dies wird in der Fachsprache dann als „Leaky gut“-Syndrom bezeichnet, zu Deutsch: „Undichter Darm“.
Im JOSERA Ratgeber "NutriBiotic – Mit funktioneller Tierernährung die Darmintegrität sicherstellen" sind alle wichtigen Informationen zum Thema "Leaky Gut" enthalten, weshalb ein gesunder Darm wichtig ist.
Sowohl die Pansenazidose als auch die angeschlagene Darmbarriere belasten wiederum die Leber, denn sie muss den Organismus nun verstärkt entgiften. Weitere Folgen dieser Toxin- und Schadstoffbelastung können Klauenprobleme und vielfach unspezifisch erhöhte Zellzahlen sein. Auch die Fruchtbarkeit kann stark beeinträchtigt werden, wenn beispielsweise vermehrt Mykotoxine durch die Darmbarriere gelangen.
All diese Entwicklungen bereiten der Kuh Hitzestress und darunter leiden Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollten daher rechtzeitig wirkungsvolle Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Mittelfristige Maßnahmen: Einsatz von Sprenklern und Ventilatoren
Einfache Maßnahmen sind beispielsweise die Verlagerung der Umtriebszeit in die frühen Morgen- und späten Abendstunden. Auf Betrieben mit Weidegang sollte dieser den Umständen nach angepasst werden, meist bietet es sich an, die Kühe statt in der prallen Mittagssonne lieber nachts auf die Weide zu lassen.
Immer wichtig ist eine ausreichende Versorgung mit Wasser. Der Wasserbedarf steigt in diesen Hitzeperioden enorm und kann für ein Tier in der Hochlaktation mit etwa 150 Litern (bis zu 180 l) kalkuliert werden. Um diese effizient bereitzustellen, bedarf es Tränken mit mindestens 20 l/min Durchfluss für Ventiltrogtränken (maximal 15 Tiere pro Tränke) und mindestens 30 l/min für Tränkewannen.
Fütterung bei warmen Temperaturen:
Im Fütterungsmanagement ist darauf zu achten, dass das Futter nicht zu lange auf dem Futtertisch verbleibt. Ist die Nacherwärmung das ganze Jahr über ein Thema, so doch ganz besonders in den heißen Sommermonaten. Die Futteraufnahme ist im Sommer schon reduziert, nacherwärmtes Futter reduziert die Aufnahme noch weiter. Daher sollte die Nacherwärmung des Futters effektiv vorgebeugt (zum Beispiel mit JOSERA Frischhaltekonzentrat) und lieber öfter am Tag kleinere Mengen vorgelegt werden. Ist dies nicht möglich, sollte die Futtervorlage in die kühlen Abendstunden verlegt werden. Zusätzliches Propylenglykol können das Energiedefizit etwas kompensieren, es sollte jedoch unbedingt auf eine ausreichende Faserversorgung geachtet werden, um keine Pansenazidose zu provozieren. Eventuell muss dafür die Kraftfuttermenge im Automaten/Roboter ebenfalls reduziert werden. Um die Schwitz- und Speichelverluste auszugleichen, kann Natriumbicarbonat und zusätzliches Mineralfutter eingemischt werden. Auch Lecksteine/Viehsalz gehören auf jeden Fall ins Angebot.
Durchlüftung im Stall, um Hitzestress zu vermeiden
Eine Luftbewegung von etwa 2,5 m/s ist optimal für eine effiziente Kühlwirkung, ohne die Kühe der Gefahr einer Lungenentzündung auszusetzen. Neben baulichen Maßnahmen (siehe nächster Abschnitt) kann dies nur durch den Einsatz zusätzlicher Belüftung erreicht werden. Ventilatoren findet man bereits in fast allen Ställen, neben großen Standventilatoren auf dem Futtertisch sind hängend montierte Ventilatoren besonders effizient. In einer Höhe von etwa 2,70 m brauchen sie keine Schutzgitter mehr und sind doch tief genug, um noch einen guten Wirkungsgrad zu erreichen. Um die geeignete Größe zu finden, kann man mit folgender Regel rechnen: Ein Meter Lüftungsdistanz pro 10 cm Ventilatoren-Durchmesser. Positioniert wird immer längs zur Stallachse. Zusätzliche Ventilatoren eignen sich für jene Orte im Stall, an denen die Tiere dicht gedrängt stehen, zum Beispiel im Wartebereich vor dem Melkstand/Melkroboter und am Futtertisch. Eine modernere Lösung sind fünf-flügelige Propeller mit bis zu 7 m Durchmesser, die nicht nur im Sommer zur Kühlung beitragen, sondern auch im Winter eingesetzt werden können, um aufsteigende Wärme wieder nach unten in den Tierbereich zu befördern. Eine Möglichkeit, die auch gut in Altbauten nachgerüstet werden können, jedoch auch in neuen Ställen gute Arbeit leisten, sind beispielsweise Schlauchlüftungen.
Einsatz von Sprenkelanlagen
Sprenkelanlagen gibt es in zwei Varianten. Die einen, die mit Hochdruck sehr fein vernebeln, um so die Stallluft zu kühlen und jene, die mit Niederdruck die Tiere selbst beregnen und so herunterkühlen. Beide Systeme sind sehr effizient und mit hohem Wasserverbrauch verbunden. Wichtig ist bei der Niederdruckberegnung, dass nicht über den Liegeboxen und erst ab Temperaturen von etwa 25 °C gesprenkelt wird und auch nicht durchgehend, denn bei permanent feuchtem Fell und gleichzeitiger Zugluft sind die Lungenentzündungen auch im Hochsommer vorprogrammiert. Als optimal hat sich eine „Ein-Drittel“-Beregnung erwiesen. Dies ist eine Intervall-Beregnung die beispielsweise 10 min beregnet und doppelt so lang nicht mehr beregnet, also 20 min. Bei der Hochdruckverneblung ist auf eine ausreichende Durchlüftung zu achten, damit die Luftfeuchtigkeit nicht zu sehr ansteigt (pro Grad Abkühlung etwa 5 %!).
Eine weitere Wasserkühlung kann beispielsweise durch Intervallduschen vorgenommen werden, vorzugsweise im Auslauf. So können die Kühe selbst entscheiden, wann es für sie an der Zeit für eine kühlende Dusche ist.
Langfristige Maßnahmen: Tipps für den klimaoptimierten Stallbau
Um langfristig gut für kommende Hitzeperioden vorbereitet zu sein, lohnt es sich, beim Stallbau entsprechend vorzusorgen. Ganz grundsätzlich ist eine Ausrichtung quer zu Windrichtung optimal, Traufhöhen von über 3,60 m und ein offener First tragen zur besseren Durchlüftung bei. Jalousien und Curtains können sensorgesteuert werden und so eine automatische Thermoregulation sicherstellen.
Besonderes Augenmerk sollte dem Dach gelten: Ein helles Dach, Sandwichelemente sowie der Schatten, der durch Photovoltaik-Elemente geworfen wird, reduzieren die Wärmeentwicklung ebenfalls. Weite Dachüberstände spenden zusätzlichen Schatten. Lichtplatten wirken wie ein Treibhaus und sollten daher über jenen Orten großen Andrangs und auf der Südseite vermieden werden, ebenso windbrechende Elemente wie ein hoher Betonsockel oder Fahrsilos auf der windseitigen Stallseite.
Sofortmaßnahmen: Wasser und Durchzug/Schatten
Stehen bereits hechelnde, schwitzende Kühe im Stall, ist es zu spät, um über bauliche Maßnahmen nachzudenken. Hier muss sofort geholfen werden.
Eine wirksame Sofortmaßnahme ist beispielsweise das Übergießen besonders belasteter Tiere mit einer Gießkanne voll kaltem Wasser. Dies muss mehrfach wiederholt werden, um einen ausreichenden Kühlungseffekt zu erzielen. Am besten zwischen zwei Güssen immer etwas Zeit lassen, um eine Verdunstungsphase zu ermöglichen. Wenn es noch geschlossene Tore/Fenster gibt, sollten diese geöffnet werden! Ungenutzte Ventilatoren unbedingt aufstellen!
Sind die Tiere auf der Weide, liegt die Überhitzung vermutlich entweder daran, dass der Wassertank leer ist oder dass zu wenig Schatten zur Verfügung steht. Beide Probleme müssen umgehend behoben werden.
Fazit: Better safe than sorry!
Wer baulich gut auf die Hitzeperioden vorbereitet ist, kann dem Sommer entspannt entgegenblicken. Auch ältere Ställe lassen sich entsprechend nachrüsten, wichtig ist lediglich, dass rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Kühe gar nicht erst dem sommerlichen Hitzestress auszusetzen!