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Ad-libitum-Fütterung bei Kälbern – worauf ist zu achten?
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Ad-libitum-Fütterung bei Kälbern – worauf ist zu achten?

Geschrieben von Nina Rittweg

Die ad-libitum-Tränke bei Kälbern ist trotz anfänglich erhöhtem Kostenaufwand auf dem Vormarsch. Es lohnt sich in jedem Falle, sich mit dem Thema der intensiven Kälberaufzucht einmal genauer zu beschäftigen. Welche Vorteile eine ad-libitum-Fütterung mit sich bringt, was sich am Tränkemanagement ändert und ob sich die intensive Kälberaufzucht auch finanziell rechnet, das alles erfahren Sie in diesem Ratgeber!

Ad-libitum Definition

„Ad-libitum“ ist lateinisch und bedeutet so viel wie „nach Belieben“. Und genau das ist das Konzept hinter der ad-libitum-Tränke. Die Kälber nehmen so viel Tränke auf wie und wann sie wollen. Das können in der vierten Tränkewoche dann durchaus auch einmal 20 Liter oder mehr pro Tag sein. Grundsätzlich werden mindestens zwei bis maximal vier Wochen ad-libitum getränkt, anschließend wird ganz normal entwöhnt.
 

Vorteile der ad-libitum-Fütterung

Verschiedene Studien haben sich inzwischen mit den Auswirkungen eines ad-libitum-Tränkeregimes befasst und sind sich in mehreren Punkten einig:
 

Schaubild Krankentage

Abbildung 1: Krankentage und Kälberverluste im Vergleich zwischen ad-libitum und restriktiver Fütterung

  • Gesündere Kälber: Kälber, die ad-libitum getränkt werden, zeigen ein deutlich niedrigeres Risiko für typische Kälberkrankheiten. Statt durchschnittlich knapp vier Krankentagen bei restriktiver Fütterung liegt der Durchschnitt bei ad-libitum-Tränke mit über 8 Litern Tränkemenge bei nur ca. einem Tag. Um über zwei Drittel niedriger.
  • Geringere Kälberverluste: Während die Kälberverluste bei restriktiven Gruppen bei bis zu 20 % lagen, konnten sie in den ad-libitum-Gruppen auf nur 4 % gesenkt werden.
  • Höhere Tageszunahmen: Die durchschnittlichen Zunahmen bei ad-libitum-getränkten Kälbern liegen bei etwa einem Kilo pro Tag. Bereits am 28. Lebenstag sind sie im Schnitt über 11 kg schwerer als ihre restriktiv gefütterten Altersgenossen. An Tag 35. sogar bereits über 15 kg¹.
Schaubild Gewichtsentwicklung

Abbildung 2: Vergleich der durchschnittlichen Gewichtsentwicklung von Kälbern (Johe 2018)

  • Höhere Milchleistung! Eine Vielzahl von Studien belegen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen täglichen Zunahmen und Milchleistung in der 1. Laktation gibt. Bei Färsen sind im Schnitt fast 700 kg mehr Milch zu erwarten, wenn sie als Kalb ad-libitum gefüttert wurden! Die Ursache für diesen Zusammenhang liegt in der sogenannten metabolischen Programmierung.

Exkurs: metabolische Programmierung

Wie sich die Kälber und damit die späteren Milchkühe körperlich entwickeln, hängt nicht allein von deren Genetik, sondern zu einem beachtlichen Teil auch von dem Verlauf der letzten Wochen im Uterus sowie der ersten Lebenswochen und -monate ab. Zwei Beispiele post partum wären die reduzierte Nahrungsaufnahmekapazität des Darms, wenn dieser im Kälberalter durch eine Durchfallerkrankung geschädigt wurde oder die schwächere Immunabwehr nach schweren Lungenerkrankungen.
Immer besser erforscht ist inzwischen aber auch das Prinzip der metabolischen Programmierung. Darunter versteht man grob gesagt den Einfluss der Stoffwechsellage eines Kalbes auf dessen körperliche Entwicklung. In den letzten Wochen vor und den ersten Wochen nach der Geburt finden in vielen Organen und Geweben noch in großem Ausmaß Zellteilungen, also Zellen-Vermehrung statt. Später wachsen die Organe zwar auch noch, doch dann vermehrt durch Zellwachstum (Größenwachstum der bereits bestehenden Zellen), nicht mehr so stark durch Zellteilung (neue Zellen). Leidet die Kuh ante partum beispielsweise unter Hitzestress oder Fütterungsfehlern oder ist das Nahrungsangebot in den ersten Lebenstagen und -wochen knapp, so finden auch weniger Zellteilungen statt und umgekehrt. Bei einer ad-libitum-Fütterung ist das Nahrungsangebot reichlich und die Zellteilungsrate damit sehr hoch. Die Effekte lassen sich messen: In einer Studie der Universität Blacksburg wurden signifikant höhere Organgewichte bei ad-libitum-getränkten Kälbern festgestellt, unter anderem in Organen des Immunsystems², aber auch überdeutlich in Euter- und Milchdrüsengewebe! Dort waren die Gewichte vier- bis sechsmal so hoch³ im Vergleich zur restriktiv getränkten Gruppe. Dies legt den Schluss nahe, dass eine spätere hohe Milchleistung durch eine intensive Kälberaufzucht metabolisch vorprogrammiert werden kann.

Wie funktioniert ein ad-libitum-Tränkeplan?

Die ad-libitum-Tränke sollte mindestens 2, besser drei bis vier Wochen angeboten werden. In dieser Zeit trinken die Kälber im Schnitt 8 Liter in der ersten, 10 Liter in der zweiten, 11 Liter in der dritten und bis zu 14 Liter in der vierten Woche. Das kann natürlich variieren, manche Kälber trinken sogar doppelt so viel, während andere mit deutlich weniger zufrieden sind.

Schaubild Kälbertränkeplan

Damit die Kälber die Möglichkeit haben, zu saufen wann und wie viel sie möchten, muss den ganzen Tag über eine kontinuierliche Versorgung sichergestellt sein. Dazu verbleibt der Tränkeeimer dauerhaft beim Kalb und wird lediglich immer wieder aufgefüllt. Die maximale Füllmenge (meist 7 Liter) bestimmt die Frequenz des Auffüllens. Meist genügt zweimal täglich, bei besonders hungrigen Kälbern kann ein drittes Mal notwendig werden. Es ist dabei darauf zu achten, dass die Kälber niemals das Gefühl haben, ihr Milchvorrat würde zur Neige gehen, denn dann tendieren sie dazu, beim nächsten Auffüllen sehr schnell und hastig zu saufen. In der Folge kann es dadurch dann zu Pansentrinken und Verdauungsstörungen kommen, das sollte vermieden werden. Für ältere Kälber in Gruppenhaltung kann der Einfachheit halber auch eine Milchbar mit mehreren Nuckeln eingesetzt werden.
Da die Kälbermilch zum Teil sehr lange im Eimer verbleibt, ist eine gute Tränkehygiene enorm wichtig. Das heißt, beim Einsatz von Milchaustauscher sollte der Tränkeeimer einmal am Tag mit heißem Wasser ausgespült und der Nuckel durchgemolken werden. Wichtig ist auch, dass nicht alle Milchaustauscher für eine ad-libitum-Tränke geeignet sind. Sie sollten mindestens 40 %, besser 50% Magermilchanteil enthalten. Im Zweifel lohnt es sich, die Eignung zur ad-libitum-Fütterung beim Hersteller zu erfragen. Vollmilchtränken sollten angesäuert (ungefähr auf pH 5,5, nicht niedriger, sonst leidet die Akzeptanz) und die Eimer dann zweimal täglich mit heißem Wasser ausgespült werden.

Unsere Milchaustauscher-Empfehlungen

Im Anschluss an die ad-libitum-Fütterung wird dann langsam bis zur zehnten Lebenswoche abgesetzt. Die Milchmenge nach der Umstellung von ad libitum auf eine festgesetzte Milchmenge richtet sich dabei nach der zuvor durch das Kalb freiwillig aufgenommenen Menge minus 2 Liter. Ein pauschales Umstellen auf die angegebenen 11 Liter macht nur dann Sinn, wenn das Kalb zuvor etwa 13 l aufgenommen hat. Bei einer Aufnahme von zuvor 22 Litern entspräche dies hingegen einer Halbierung der Milchmenge. So abrupt kann das Kalb sich nicht umstellen. Dieses Kalb würde zu Anfang der ersten ad-libitum-Woche ca. 19-20 Liter (mit später absteigender Tendenz) erhalten.
Parallel zur Tränke sollte schon in den ersten Lebenswochen immer auch Festfutter, am besten ein schmackhaftes Kälbermüsli, angeboten werden. Ad-libitum-getränkte Kälber nehmen es zwar meist etwas später an als restriktiv getränkte Kälber, doch sie holen mengenmäßig bald auf.


Wichtig: Frisches Wasser muss zu jeder Zeit angeboten werden.

Rechnet sich eine ad-libitum-Tränke?

Natürlich entstehen durch die größeren benötigten Milchmengen offensichtliche Kosten. Zusätzlich ca. 22 kg MAT bzw. 150 Liter Vollmilch sind zwar eine anfängliche Investition in die Kälber, diese wird aber durch die beschriebenen positiven Effekte auf Gesundheit und Leistung mehr als kompensiert. Durch höhere Tageszunahmen (durchschnittlich 15,7 kg am 35. Tag) können im Falle des Verkaufs die zusätzlichen Kosten meist bereits nach wenigen Wochen ausgeglichen werden. Werden die Tiere am Betrieb aufgezogen, rechnet sich die Investition nicht sofort, sondern durch die höhere zu erwartende Milchmenge erst in der ersten Laktation, dafür aber deutlich. Zudem sorgt die geringere Krankheitsanfälligkeit für eine geringere Arbeitsbelastung und die geringeren Krankheitskosten machen sich im Kälberbereich sehr schnell bemerkbar.

Häufige Missverständnisse im Tränkemanagement

  • Kälber bekommen keinen Durchfall von „zu viel Milch“. Ad-libitum getränkte Kälber zeigen häufig eine etwas flüssigere Kotbeschaffenheit, welche aber normal ist und keinesfalls mit einem infektiösen Durchfall verwechselt werden sollte.
  • Elektrolyttränken sind kein Ersatz für Milch oder Milchaustauscher, sondern stellen eine Ergänzung dar. Daher sollten sie niemals anstelle der normalen Tränke, sondern vielmehr zusätzlich und parallel in einem zweiten Eimer angeboten werden.
  • Kälbern mit Durchfall sollte daher auch nie die Milch entzogen werden! Bei einer restriktiven Fütterung ist es zwar sinnvoll, den kranken Kälbern ihre normale Milchmenge öfter am Tag in kleineren Portionen zu vertränken, doch ein Absetzen von der Milch zur Durchfallreduktion ist lediglich eine „kosmetische“ Behandlung und schwächt das Kalb durch den Nahrungsentzug nur zusätzlich.
  • Kälber sollten immer freien Zugang zu Wasser haben. Freier Zugang zu Wasser reduziert weder die Milchaufnahme noch die Zunahmen!

Quellen:
¹ Johe 2018
² Geiger et. al., 2016
³ Soberon und Van Amburgh 2017

FarmCHAMPs-Autorin Nina Rittweg
Autor

Nina Rittweg

Über Nina Rittweg: "Besser geht immer! Als Rindertierärztin stehe ich jeden Tag auf verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben: Ich sehe die Futtertische, die Silos, die Kühe und Kälber - und überall Potential, immer noch ein bisschen besser zu werden. Gerne trage ich mit meinem Wissen aus Studium, Wissenschaft und Praxis dazu bei!"

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